Verliebt, verlobt, verwirrt: Wenn die Liebe einem Wettrennen gleicht
Das letzte Jahr hatte es ganz schön in sich. Während wir alle immer noch versuchen uns im „new normal“ zurechtzufinden (mal abgesehen davon, dass das Wort niemand mehr hören kann), sind viele von uns noch nach etwas anderem auf der Suche: Der Liebe. Dass dies mitunter sehr erfolgreich geschieht, beweisen die zahlreichen Verlobungen, die es (nicht nur) in meinem Umfeld seit Beginn der Pandemie gab. Neben all der Freude, die ich darüber empfinde, machte sich bei mir aber noch ein weiteres Gefühl bemerkbar: Der Druck mit anderen, gleichaltrigen Pärchen Schritt zu halten. Denn manchmal scheint die Liebe einem Wettrennen zu gleichen.
Von Handhygiene und Karatgewicht
„Ach Laura, das ist doch kein Wettrennen, alles zu seiner Zeit“. Ja stimmt, die Liebe ist kein 1/4 Meile Rennen – und trotzdem fühlt es sich zeitweise so an. 2020 war offensichtlich nicht nur das Jahr des steigenden Desinfektionsmittelumsatzes (ein schönes Wort für Hangman oder Scrabble), sondern auch das Jahr der Verlobungen. Immer mehr Paare in meinem Alter verkünden mit süßen Fotos, dass sie den nächsten Schritt wagen und halten stolz einen glänzenden Klunker in die Kamera. Ob Tiffany & Co. wohl auch steigende Umsätze zu verzeichnen hat? Gut möglich. Aber Handyhygiene und Karatgewicht sind nicht der springende Punkt.
Die Vorstellung davon, wie das Leben so läuft
Ich denke jede*r von uns hat seit Kindheitstagen eine Vorstellung davon, wie das Leben so läuft, auch wenn man das Leben natürlich nicht immer planen kann. Früher dachte ich, dass man mit 18 Jahren erwachsen und auf niemanden mehr angewiesen ist… Aber wenn ich vormittags einen Fruchtzwerg löffelnd in der Küche stehe, fühle ich mich mit knapp 27 noch nicht richtig „erwachsen“. So viel dazu.
Auch beim Thema heiraten hatte ich immer ein Bild im Kopf. Geprägt durch Familie und äußere Einflüsse hielt ich Verlobung und Hochzeit für etwas, für das man schon so richtig „groß“ sein muss, also in meiner Logik Ende 20 aufwärts. Ich habe das nie angezweifelt– bis plötzlich Verlobungen hervorsprossen wie Krokusse aus dem Boden. Und nun stehe ich überrascht da und frage mich: Muss eine Beziehung gar nicht zwingend jahrelang bestehen, bevor man sich entschließt zu heiraten? Ist eine Verlobung mit Mitte 20 inzwischen doch nicht mehr „früh“? Bin ich tatsächlich schon in dem Alter, in dem man heiratet, sofern man es überhaupt möchte?
Wir alle haben unseren eigenen Zeitplan
Ich begann meine ursprünglichen Werte und Vorstellungen zu überdenken. Da die Themen Verlobung und Heirat für mich lange nie ernsthaft zur Sprache kamen, hatte ich mir selten die Zeit genommen zu reflektieren. Zahlreiche Gespräche und einige Tagebucheinträge führten mich zurück zu dem, wie ich mir mein Leben diesbezüglich vorstelle. Der Druck, der sich in mir aufbaute, entstand nicht daraus, dass ich von mir selbst aus lieber gestern als morgen „Ja“ sagen wollte. Er entstand wie so oft durch äußere Einflüsse, social media und Co.
Your direction is more important than your speed.
Richard L. Evans
Schritt für Schritt kam ich weg von dem Bild des 1/4 Meile Rennens und hin zu dem, dass jede*r einen eigenen Zeitplan hat. Es gibt kein „zu früh“ oder „zu spät“, wir alle sitzen in unserem eigenen Auto auf der Zeitstrecke unseres Lebens – in meinem Fall ein 2020er Audi RS Q3: Man hat ordentlich Power unter der Haube, aber man kann auch einfach mal entspannt die Fahrt genießen. Bildlich gesprochen cruise ich also momentan auf der Verlobungs- und Heiratsstrecke ohne Stress herum. Nur weil andere Menschen ein flotteres Tempo drauf haben, sollten wir uns nicht unter Druck gesetzt fühlen, es ihnen gleich tun zu müssen.
Verliebt, verlobt, entspannt
Nichtsdestotrotz blieb ich bei meinem ursprünglichen Gedanken, nämlich dem, dass ich nichts überstürzen möchte. Die Vorstellung erst „erwachsen genug“ sein zu müssen, wurde jedoch von etwas anderem abgelöst: Einer Portion Realismus. Auch wenn mein Herz beim Anblick von Verlobungsringen hüpft, ist es mein Kopf, auf den ich höre, wenn er mir sagt, dass eine Hochzeit verdammt teuer ist und dass ich mich da nicht blauäugig rein stürzen möchte. Im Grunde fand ich also zurück zu meiner Vorstellung aus der Kindheit, nämlich dass ich mir Zeit lassen möchte. Und ich habe gelernt, dass es gut tut, seine Prinzipien zu reflektieren. Denn die Richtung, in die man fährt, ist viel wichtiger, als die Geschwindigkeit.
Wie ist das bei Euch? Fühlt ihr Euch in Beziehungsangelegenheiten durch äußere Einflüsse unter Druck gesetzt? Schreibt es mir gern in die Kommentare!
Das Beitragsbild hat die wundervolle Svenja gemacht.